Internationale Bildungsstätte Jugendhof Scheersberg: Zentrum für die kulturelle, soziale und politische Jugendbildung in Schleswig-Holstein

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1. Obergeschoss

Aufruhr in der Grenzregion

Bronzerelief

Das Bronzerelief wurde 1963 vom damaligen Landrat Gerd Lausen in Auftrag gegeben und vom Glücksburger Bildhauer und Graphiker Siegberg Amler für 2.700 DM angefertigt.Die ursprünglich vorgegebene Inschrift gibt ein Zitat Bismarcks von 1851 wieder:


„Wir sind nicht auf dieser Welt, um glücklich zu sein und zu geniessen, sondern um unsere Schuldigkeit zu tun.“ Zitat Bismarcks von 1851

Der Scheersberg in der New York TimesIm Juli 1968 entfernen Studierende aus Kiel und Flensburg während eines Seminars auf dem Scheersberg die Tafel aus dem Bismarckturm. Grund des Aufruhrs ist das nationalistische Zitat Bismarcks. Einige Stimmen fordern, das Relief in der Ostsee zu versenken. Die Studierenden stellen zur Diskussion, ob in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland die Aufrechterhaltung der national-konservativen Traditionen Bismarcks noch angebracht sei. Diese Frage bewegt offenbar nicht nur den kleinen Kreis der Studierenden. Auch die umliegende Bevölkerung, Lokalpolitiker und Beamte aus dem Kultusministerium in Kiel kommen auf den Scheersberg, um an der Diskussion teilzunehmen. Mehrere Tage bleibt das Bronzerelief Mittelpunkt der Diskussionen. Um das Zitat Bismarcks zu entschärfen sollen die  Worte “nur” und “auch” hinzugefügt werden. 

„Wir sind nicht nur auf dieser Welt, um glücklich zu sein und zu geniessen, sondern auch um unsere Schuldigkeit zu tun.“ entschärftes Zitat Bismarcks

Der Vorschlag wird einvernehmlich angenommen, aber nie umgesetzt. Zusätzlich wird der damalige Direktor Horst Röper beauftragt, Informationsmaterial zum Bronzerelief anzufertigen und für Besucher bereitzustellen. Damit kann eine einvernehmliche und friedliche Lösung gefunden werden. Aufgrund dieser einvernehmlichen Lösung wird von einer Entfernung aus dem Turm Abstand genommen. Dieses Seminar zur politischen Bildung erlangt große mediale Aufmerksamkeit, nicht nur regional und national wurde berichtet, sogar die New York Times greift die Geschehnisse in Angeln auf.

 

Der Traum von Freiheit

Aufruhr in Schleswig und Holstein
Wir schreiben den 24. März 1848. In Kiel proklamiert sich eine „Provisorische Regierung”. Die Mitglieder, liberaldemokratische und konservative Schleswig-Holsteiner, verlangen von ihrem Landesherrn, dem dänischen König Frederik VII., das Herzogtum Schleswig entlang einer nationalen Trennlinie zu teilen sowie das restliche „Schleswigholstein” zum Deutschen Bund gehörig zu erklären. Das ist Aufruhr, denn in Schleswig und Holstein ist seit Jahrhunderten der dänische König Landesherr. Der Konflikt ist Teil der europäischen Revolutionen des Jahres 1848. Träume von Freiheit und Verfassung fallen mit Wünschen nach geeinten Nationen zusammen.Revolutionäre aller Länder denken liberal und national, also sehr ähnlich. Aber: Ein geeinter dänischer Nationalstaat würde Schleswig von Holstein trennen, bis zur Eider reichen und auch deutsche Schleswiger einbeziehen. Umgekehrt würde ein fast bis Kolding reichendes deutsches „Schleswigholstein” dänische Schleswiger einbeziehen.

 

Das Scheitern 
Die „Erhebung” hat einen mehrjährigen Krieg zur Folge. Am Ende ist 1852 wiederalles wie vorher. Dafür gibt es viele Gründe: Uneinigkeit, Fehleinschätzungen, militärisches Unvermögen und das Nichteinbeziehen der „einfachen Menschen”, vor allem die Einmischung der europäischen Großmächte, die eine Veränderung  vermeiden wollen, ist ausschlaggebend. Auch das mächtige Preußen verfolgt nach dem Niederschlagen der Revolution im eigenen Land wieder reine Machtinteressen und die Restauration.

„Jeder Schleswig-Holsteiner hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern. Die Censur ist und bleibt aufgehoben. Die Preßfreiheit darf weder durch das Erforderniß von Concessionen noch durch Sicherheitsleistungen beschränkt werden.“
Artikel 23, Staatsgrundgesetz für die Herzogthümer Schleswig-Holstein, vom 15. September 1848

 

Freiheitlichste Verfassung in Europa
Ein Scheitern, und trotzdem: 1848 arbeitet in Kiel eine „Landesversammlung” an einer Verfassung für Schleswig-Holstein. Diese rein männliche Versammlungwurde recht demokratisch, allgemein und direkt gewählt und beschließt wichtigeReformen: Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Presse- und Meinungsfreiheit, Volksbewaffnung und Wehrpflicht, Abschaffung einiger Steuern und Privilegien. Das am 15. September 1848 verabschiedete „Staatsgrundgesetz” wird später als die „demokratischste Verfassung die man in Europa bis dahin gesehen hatte” bezeichnet. – Damit zeigt Schleswig-Holstein freiheitliche Vorstellungen, die weit in die Zukunft weisen. 

 

Preußische Kanonen und dänische Schanzen

Der zweite Schleswigsche Krieg
Mit dem Ende der „Schleswig-Holsteinischen Erhebung” 1851 endet der erste Schleswigsche Krieg, der seinen kriegerischen Höhepunkt 1850 in der Schlacht bei Idstedt findet. In Dänemark geht dieser Krieg als „Treårskrigen” („Drei-Jahres-Krieg“) in die Geschichtsbücher ein. Das Londoner Protokoll von 1852, durch das der Konflikt beendet wurde, sichert dem dänischen König die Personalunion in den Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauenburg zu. Wenige Jahre später wird das Londoner Protokoll zum Mittelpunkt eines erneut aufflammenden Konfliktes zwischen Dänemark sowie Österreich und Preußen – dem zweiten Schleswigschen Krieg.


Disput um die Novemberverfassung

Im Herbst 1863 erlässt Dänemark auf Druck der dänischen Nationalbewegung eine gemeinsame Verfassung für das Königreich Dänemark und das Herzogtum Schleswig. Diese Novemberverfassung verstößt gegen das Londoner Protokoll. Dies führt zur „Bundesexekution”: Truppen des Deutschen Bundes besetzen nach Ablauf des ergebnislosen Ultimatums die Herzogtümer Holstein und Lauenburg und drängen so die dänischen Truppen nach Schleswig zurück. Otto von Bismarck (1815-1898), zu dieser Zeit preußischer Ministerpräsident, beharrt zudem darauf, das Herzogtum Schleswig ebenfalls zu besetzen, um so die Aufhebung der Novemberverfassung zu erzwingen.


Erstürmung der Düppeler Schanzen
Dänemark setzt weiterhin auf Konfrontation und verschanzt seine Truppen hinter dem Danewerk und entlang der Schlei. Angesichts der zahlenmäßig und waffentechnisch überlegenen österreichisch-preußischen Truppen ziehen sich die Dänen von dort zu den Düppeler Schanzen – kurz vor Sonderburg – zurück. Während des Rückzugs kommt es zu Gefechten in Missunde und Oeversee/Sankelmark. Am 18. April 1864 stürmen die preußischen Truppen nach wochenlanger Belagerung die Düppeler Schanzen. Damit ist Dänemark militärisch besiegt. Es kann jedoch in Folge keine Einigung erzielt werden. Erst mit der Einnahme der gesamten dänischen Insel Alsen ist der Weg zum Wiener Friedensvertrag am 30. Oktober 1864 frei.


Schleswig und Holstein werden preußisch
Der Wiener Frieden sieht vor, dass Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten muss. Doch auch danach herrscht keine Ruhe in Schleswig und Holstein. Es entflammt ein Konflikt zwischen den beiden Siegerstaaten über die Zukunft der Herzogtümer, der 1866 erneut in einen Krieg mündet. Preußen geht siegreich aus diesem Krieg gegen Österreich hervor und annektiert die Herzogtümer 1867 als nunmehr preußische Provinz Schleswig-Holstein.

 

Wanke nicht, mein Vaterland

Angespannte Situation um 1840Musik verleiht Inhalten eine tiefere Kraft. So kann sie oftmals inhaltlich schwer, politisch oder provokativ sein. Dies ist bei weitem nicht nur ein aktuelles Phänomen. Die aufgeladene, national geprägte Stimmung heizt sich in den 1840er Jahren in „Schleswig-Holstein“ auch durch den Gesang immer weiter auf. Das Herzogtum Schleswig gehört zum dänischen Königreich, das Herzogtum Holstein hingegen zum Deutschen Bund, wobei der dänische König auch hier weiter Landesherr bleibt. Der neu aufgekommene nationale Gedanke setzt sich vermehrt in den Köpfen der Menschen fest – und das in ganz Europa. Dänemark fordert eine staatliche Einheit bis zur Eider, während die Holsteiner Ständeversammlung die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund erzielen will.


Sängervereine
1839 gründet sich in Schleswig die erste Gemeinschaft von Sängern. Weitere sollten folgen, sodass schon nach wenigen Jahren mehr als sechzig Vereine eingetragen sind. Die meisten Vereine finden sich in Städten zusammen, in Angeln wird aber auch auf den Dörfern gesungen. Dabei sind die Sängervereine eine rein männlich bestimmte Zusammenkunft. Ihre Funktion geht dabei über das gemeinsame Singen hinaus. Vielmehr dienen sie dazu, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen und den nationalen Gedanken hochzuhalten. Sie werden zu einem Treffpunkt des politischen Austausches. Später entwickeln sich daraus regelrechte Feste, Umzüge und die Gelegenheit für politische Reden.

„Schleswig-Holstein, meerumschlungen, deutscher Sitte hohe Wacht! Wahre treu, was schwer errungen, bis ein schön’rer Morgen tagt! Schleswig-Holstein, stammverwandt, wanke nicht, mein Vaterland! Schleswig-Holstein, stammverwandt, wanke nicht, mein Vaterland!“ 1. Strophe Schleswig-Holstein Lied


Sängerfest in Schleswig
Das bereits damals und auch heute noch weit bekannte Lied „Schleswig-Holstein, meerumschlungen“ sollte beim großen Sängerfest der Stadt Schleswig im Juli 1844 zum politischen Instrument werden. 12.000 Menschen strömen in die damalige Kleinstadt, die zu diesem Zeitpunkt nicht einmal 11.000 Einwohner zählt. Bei dieser großen Anzahl an Menschen können zwar immer nur wenige die über 500 angereisten Sänger aus 32 unterschiedlichen Liedertafeln hören, „Schleswig-Holstein, meerumschlungen“ kennen aber alle der Anwesenden. Das Lied drückt die Stimmung und die nationale Gesinnung eines “vaterländischen” Schleswig-Holsteins im Deutschen Bund in aller Deutlichkeit aus. Es entwickelt eine enorme politische Sprengkraft.

 

Tauziehen um die Region

Nationaler Konflikt bleibt bestehen
1867 verleibt sich Preußen das gesamte Herzogtum Schleswig ein und bildet die Provinz Schleswig-Holstein. Der nationale Konflikt in der Grenzregion bleibt weiterhin bestehen. Südschleswig ist überwiegend deutsch, aber meist nicht-preußisch orientiert. In Nordschleswig hingegen festigt sich die dänisch gesinnte Bevölkerung, die nun innerhalb eines deutschen Staates leben muss. Abgrenzung gegenüber den „Deutschgesinnten“ und das dänische nationale Bewusstsein spielen für die Menschen eine wichtige Rolle.


Streben nach Selbstbestimmung
Als sich der erste Weltkrieg dem Ende nähert und damit die Niederlage des Deutschen Reiches absehbar wird, kommt die Grenzfrage in Dänemark und bei der dänischen Minderheit erneut auf die Tagesordnung. Der Abgeordnete H.P. Hanssen (1862-1936) weist 1918 in einer Rede im Deutschen Reichstag darauf hin, dass nach dem § 5 des Prager Friedens von 1866 Nordschleswig ein Recht auf eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zu Dänemark oder Preußen zusteht. Es gelingt den Dänen, die Grenzfrage auf die Tagesordnung der Pariser Friedenskonferenz zu bringen.


Beidseitige Mobilisierung
Nach langen Diskussionen in Schleswig, Dänemark und auch zwischen den  Siegermächten des Ersten Weltkrieges werden zwei Abstimmungszonen festgelegt. Die Abstimmung soll zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden. Nordschleswig wählt am 10. Februar 1920. Südschleswig wählt knapp einen Monat später am 14. März. Im Vorfeld der Abstimmung machen die beiden nationalen Parteien in den Landesteilen Stimmung für ihre Anliegen. Dies drückt sich durch Flaggen der jeweiligen Gesinnung, Reden und Kundgebungen in der gesamten Grenzregion aus.


Ergebnis der Volksabstimmung
Nordschleswig wählt mit knapp 74% dänisch und 24% deutsch. In Südschleswig entscheiden sich die Wähler mit fast 80% für Deutschland. In der Stadt Flensburg fällt die Wahl mit 75% zu Gunsten der deutschen Seite. Die deutsche Regierung zeigt sich daraufhin großzügig und schenkt der Stadt Flensburg zum Dank für die Treue das Deutsche Haus. Eine internationale Kommission schlägt die Grenzziehung nach den Abstimmungsergebnissen vor. Am 15. Juni 1920 wird den Regierungen Dänemarks und Deutschlands die Grenzziehung mitgeteilt. Sie verläuft seitdem quer durch die historisch gewachsene Region Schleswig. Diese Grenzfestlegung gilt bis heute. Es bleiben auf beiden Seiten nationale Minderheiten bestehen.